Wohin fließt das Kapital: Wie die digitale Wirtschaft die Zukunft der Gewerbeimmobilien neu definiert
Der globale Immobilienmarkt erlebt derzeit eine tiefgreifende Transformation, die weit über gewöhnliche Marktzyklen hinausgeht. Wir beobachten nicht bloß eine weitere Preiskorrektur oder eine Verschiebung der Investitionspräferenzen – wir sind Zeugen einer grundlegenden Neudefinition dessen, was Gewerbeimmobilien im 21. Jahrhundert bedeuten.
Über ein Jahrhundert lang stand der Begriff „Gewerbeimmobilien“ für physische Räume einer physischen Wirtschaft: Büros für Mitarbeiter, Geschäfte für Kunden, Lagerhäuser für Waren.
Heute jedoch, in einer Welt, in der sich das weltweite Datenvolumen alle zwei Jahre verdoppelt und Künstliche Intelligenz Rechenleistungen erfordert, die wir uns kaum vorstellen können, entsteht eine neue Immobilienklasse: Infrastruktur für die digitale Wirtschaft.
Um jedoch die Dimension dieser Transformation zu verstehen – und zu begreifen, warum bis 2029 rund 1,2 Billionen US-Dollar in Rechenzentren investiert werden sollen – muss man analysieren, wie sich traditionelle Immobilienzyklen unter dem Einfluss von hohen Zinssätzen, geopolitischer Fragmentierung und der wachsenden Kluft zwischen physischer und digitaler Wirtschaft verändern.
Vier Phasen des Zyklus – eine neue Interpretation
Das klassische Vier-Phasen-Modell – Rezession, Erholung, Expansion, Überangebot – behält zwar seine Gültigkeit, erhält jedoch im aktuellen Umfeld neue Facetten.
So bedeutet „Rezession“ heute nicht nur Preisrückgänge, sondern eine Phase des Distress, die opportunistische Chancen für langfristig orientiertes Kapital eröffnet. Die Erholungsphase hingegen ist die beste Zeit für Value-Add-Strategien, bei denen Vermögenswerte mit Abschlag erworben und modernisiert werden, um so niedrige Einstiegskosten und Wachstumspotenzial zu kombinieren.
Das entscheidende Merkmal des aktuellen Zyklus: Die Phasen verlaufen nicht mehr synchron auf globaler Ebene. Institutionelle Investoren müssen gleichzeitig Portfolios in unterschiedlichen Zyklusphasen und Regionen steuern – eine Aufgabe, die außergewöhnliche analytische Tiefe und operative Flexibilität erfordert.
Drei Kapitalströme – wohin das Geld tatsächlich fließt
Die Kapitalbewegungen im Jahr 2025 zeigen drei dominante Richtungen, die die Reaktionen der Investoren auf die Herausforderungen der neuen Realität widerspiegeln:
1. Stabiler Ertrag (Income-Driven Core)
Dominiert von Pensionsfonds, Versicherern und Staatsfonds. Kapital fließt in stabile europäische Sektoren, in denen Mieteinnahmen durch strukturelle Mechanismen inflationsgeschützt sind.
Aktuell gelten folgende Sektoren als besonders stabil:
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Wohnimmobilien (Multifamily): Der strukturelle Angebotsmangel und die wachsende Zahl von Haushalten sichern anhaltende Nachfrage. Die Eigentumskosten übersteigen weiterhin die Mietkosten – ein Treiber für den Mietmarkt.
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Logistik: Knappes Angebot und anhaltende Nachfrage aus dem E-Commerce-Sektor stützen den Markt. Europäische Logistikimmobilien übertreffen weiterhin andere Assetklassen in der Performance.
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Großflächiger Einzelhandel (Retail Warehouses): Der überraschende Gewinner des Jahres 2025.
2. Value-Add in der Korrekturphase (Active Value Creation)
Die Erholungsphase bietet ideale Bedingungen für Value-Add-Investoren. Die Strategie ist einfach, erfordert jedoch operative Exzellenz: notleidende oder ineffiziente Assets erwerben, repositionieren, sanieren und bei Markterholung verkaufen oder refinanzieren.
Der Schlüsselfaktor: niedrige Einstiegskosten bei Erwerb – sie bieten Schutz vor potenziellen Mietrückgängen oder Leasingverzögerungen in einem unsicheren makroökonomischen Umfeld.
3. Technologisches Wachstum (Acyclical Tech Growth)
Das dynamischste Segment – angeführt von Rechenzentren, die das Wesen von Immobilieninvestments neu definieren.
Die Nachfrage durch Künstliche Intelligenz, insbesondere generative KI, hat Rechenzentren von rein technischer Infrastruktur zu einem der attraktivsten Anlageklassen der Gegenwart gemacht.
Die „Magnificent Seven“ der Tech-Giganten planen allein 2025 über 400 Milliarden US-Dollar an Investitionen in KI und Rechenzentren. Laut Dell’Oro Group werden die globalen Investitionen in Rechenzentren bis 2029 1,2 Billionen US-Dollar erreichen.
Eine Umfrage von CBRE zeigt zudem: 95 % der Großinvestoren planen, ihre Engagements in diesem Segment bis Jahresende zu erhöhen.
Fazit
Die Analyse aller drei Kapitalströme führt zu einer klaren Schlussfolgerung: Die Zukunft der Gewerbeimmobilien gehört den Rechenzentren.
Das ist keine Übertreibung, sondern die logische Folge einer epochalen Neudefinition des Begriffs „Immobilie“ in der digitalen Ära.
In einer Welt, in der sich die Datenmenge alle zwei Jahre verdoppelt und KI exponentielle Rechenleistung verlangt, sind Rechenzentren längst kein alternatives Investment mehr – sie sind kritische Infrastruktur unserer modernen Zivilisation, so essenziell wie Strom- oder Wasserversorgung im letzten Jahrhundert.